Appell nach Montreal: Schutz für Tiefsee-Arten
Zum Beginn der 15. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt (CBD COP15) in Montreal fordern Senckenberg-Wissenschaftler*innen gemeinsam mit internationalen Forschenden in ihrem [... am 07.12.] veröffentlichten „Policy Brief“ den Schutz der Tiefseeökosysteme und ihrer Organismen zu priorisieren, um die Gesundheit der Ozeane und das Wohlergehen der Menschheit zu sichern. Laut dem Positionspapier ist es von entscheidender Bedeutung, den Wissensstand zur Biodiversität der Tiefseearten zu verbessern, um diese und die mit ihnen verbundenen Ökosystemprozesse effektiv schützen zu können. Hierfür müssten internationale Strategien, Infrastrukturen und Kooperationen zur besseren Erforschung der Tiefsee und zum Schutz der bislang unentdeckten Arten entwickelt, unterstützt und finanziert werden.
Weltweit leben 2,4 Milliarden Menschen weniger als 100 Kilometer von einer Küste entfernt – sie sind direkt von den Ozeanen abhängig. „Tiefseegebiete scheinen hingegen sehr weit entfernt und auf den ersten Blick unbedeutend; es ist nicht unmittelbar klar, was dieses riesige Ökosystem und seine Bewohner für uns leisten“, erklärt Dr. Stefanie Kaiser vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Die sich zwischen 200 und 11.000 Metern Tiefe erstreckende Tiefsee ist der weltweit größte Lebensraum und umfasst mehr als die Hälfte der Erdoberfläche. Sie spielt sowohl eine Schlüsselrolle bei der globalen Klimaregulation, indem sie Kohlendioxid und Wärme speichert, als auch für die Erhaltung der Artenvielfalt. Die Tiefsee gehört zu den artenreichsten Lebensräumen weltweit.“
Die Frankfurter Meeresforscherin und ihre Senckenberg-Kolleg*innen Prof. Dr. Angelika Brandt, Prof. Dr. Julia Sigwart, Dr. Aidin Niamir und Dr. Hanieh Saeedi fordern, gemeinsam mit Forschenden der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC), der portugiesischen Universität Aveiro, dem National Oceanography Centre in Southampton und der Universität Plymouth in Großbritannien, der US-amerikanischen Scripps Institution of Oceanography und dem Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C., führende Politiker*innen auf, den Schutz der Tiefseeökosysteme und ihrer Arten zu priorisieren, um die Biodiversität zum Schutz der Gesundheit der Ozeane zu erhalten. [...]
Rund 28.000 Tiefseetierarten sind derzeit beschrieben und benannt. „Wir wissen über die Tiefsee nur sehr wenig. Die meisten Arten kennen wir nicht und können sie somit nicht ausreichend schützen!“, erläutert Brandt den Aufruf und ergänzt: „Ihr Schutz ist aber dringend notwendig: Der Mensch hinterlässt selbst in der Tiefsee seinen Fußabdruck. Die Arten dort sind zunehmend der Verschmutzung und der Zerstörung ihres Lebensraums ausgesetzt. Insbesondere die globale Erwärmung, die Ozeanversauerung und der Ressourcenabbau könnten zu dramatischen Veränderungen der Tiefseebiodiversität führen – mit noch nicht abschätzbaren Folgen auch für uns Menschen.“
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Den Schlüssel für den Schutz der Tiefsee-Organismen sehen die Forschenden im verbesserten Wissen über die in den Meerestiefen lebenden Tiere. „Arten sind die grundlegende Einheit der Biodiversität. Jede Art braucht spezielle Umweltbedingungen zum Leben. Wenn sich die Parameter etwa durch menschliche Einflüsse ändern, reagieren die Organismen sehr unterschiedlich darauf. Arten in einem Gebiet zu kennen, sie zu benennen und ihre Verbreitung zu bestimmen, ist unerlässlich, um sinnvolle Managementpläne für den Schutz der Tiefsee zu entwickeln“, legt Sigwart dar und fügt hinzu: „Insbesondere brauchen wir ausgebildete Taxonom*innen, um Arten für den Meeresschutz zu beschreiben. Denn Biodiversität und ihre Erhaltung sind wichtig für das menschliche Wohlergehen.“
Daher sei es von entscheidender Bedeutung, die Erforschung der Tiefsee und die Beschreibung ihrer Arten voranzutreiben, so die Wissenschaftler*innen in ihrem Positionspapier. Die Etablierung und Unterstützung einer internationalen Zusammenarbeit zur Förderung der Tiefseeerkundung und das Wissen über Arten seien die wissenschaftliche Grundlage für die Erhaltung der „letzten großen Wildnis auf der Erde“.
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(PM Senckenberg, gekürzt)