Das Ostseeklima im Einfluss des Atlantiks: Neue Erkenntnisse über eine „Fernbeziehung“
Der Fußabdruck der von Menschen gemachten Erderwärmung ist mittlerweile fast weltweit nachweisbar, auch auf regionaler Ebene. In Nordeuropa ist zum Beispiel die Beeinträchtigung der Kryosphäre – also aller mit Eis bedeckten Gebiete – durch den Klimawandel eindeutig belegt. Dagegen ist der Einfluss auf den Wasserkreislauf weniger offensichtlich. Worauf lassen sich dann die teilweise drastischen Veränderungen, zum Beispiel bei den Niederschlagsmengen im Ostseeraum, zurückführen?
Schwankungen im regionalen Wasserkreislauf lassen sich in der Ostsee aufgrund ihrer eingeschlossenen Lage besonders gut studieren, denn Veränderungen wirken sich hier direkt auf den Salzgehalt aus. Und Salzgehaltsdaten aus der Ostsee existieren seit dem 19. Jahrhundert. Sie können also über einen langen Zeitraum stellvertretend über die Entwicklung von Niederschlag und Verdunstung im Einzugsgebiet Auskunft geben.
Auf dieser Basis zeigte sich, dass der mittlere Salzgehalt der Ostsee durch eine Schwankung mit einer Periode von ungefähr 30 Jahren gekennzeichnet ist. Markus Meier, Leiter der Arbeitsgruppe „Dynamik regionaler Klimasysteme“ am IOW lieferte nun zusammen mit einem Autorenteam eine Erklärung für diese multidekadische Variabilität der Salinität des Ostseewassers: Die so genannte Atlantische Multidekadische Variabilität (AMV) und ihre Wechselwirkung mit der Nordatlantischen Oszillation (NAO) beeinflussen den Niederschlag über dem Wassereinzugsgebiet und damit den Flusseintrag in die Ostsee: Je höher die Niederschläge, desto stärker der Flusswassereintrag. Beides führt zu einer direkten Verdünnung des Ostseewassers. Vermischungsprozesse im Eingangsbereich der Ostsee sorgen dafür, dass das hier einströmende Nordseewasser ebenfalls verdünnt wird - ein positiver Feedback-Mechanismus, der die multidekadische Variation des Salzgehaltes zusätzlich verstärkt.
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Der Einfluss der AMV beschränkt sich aber nicht nur auf den Salzgehalt. Florian Börgel, ebenfalls Wissenschaftler in der AG „Dynamik regionaler Klimasysteme“ am IOW untersuchte, wie sich die AMV auf die Wassertemperatur der Ostsee auswirkt. Er wandte dabei zum ersten Mal eine statistische Methode auf die Ostsee an, die ursprünglich entwickelt wurde, um Variabilitätsmuster im globalen Ozean zu erkennen. Diese so genannte Low-Frequency-Component Analysis (LFCA) ermöglicht es, aus komplexen Datensätzen Schwankungsmuster auf der Skala mehrerer Jahrzehnte herausfiltern.
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Auf der Skala von Jahren und Jahrzehnten korrelieren die multidekadischen Schwankungen der Meeresoberflächentemperaturen des Atlantiks sehr gut mit denen des Ostseeraums. Dieses Bild verschlechtert sich aber drastisch, wenn man einzelne Jahreszeiten betrachtet: Nur bei den Wintertemperaturen ist ein beträchtlicher Anteil der Schwankungen auf die AMV zurückzuführen. Sie spielt somit auch für die Eisbedeckung in der Ostsee eine besondere Rolle. Im Gegensatz dazu werden die Sommer- und Frühlingstemperaturen nicht durch den Atlantik beeinflusst.
(PM IOW; gekürzt)