Deutsche Küstenmeere im Vielfachstress – KüNO-Forschungstagung am IOW setzt Fokus auf Problemlösung aus der Wissenschaft

Im Fokus der zweitägigen KüNO-Konferenz im IOW am 5./6. Dezember standen die Projekt-Abschlussberichte der aktuellen dritten Förderphase des Verbundes. KüNO-Sprecherin Ingrid Kröncke zieht positive Bilanz aus allen Vorträgen: „Der zentrale Ansatz aller KüNO-Projekte, neben der hervorragenden Forschung, Stakeholder zu informieren und sich mit ihnen auszutauschen, war ein großer Erfolg. Wissenschaftliche Erkenntnisse wurden von Akteur:innen mit unterschiedlichen Interessenlagen wahrgenommen, die Wissenschaft als ‚ehrlicher Vermittler‘ respektiert. Die Erkenntnisse der Projekte haben so zu einem besseren Systemverständnis sowie zu einem zielgerichteten Management beigetragen.“

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt Balt_ADAPT, das sich mit dem konfliktträchtigen Thema der schwer von Überfischung und Klimawandel sowie anderen Stressfaktoren beeinträchtigten Küstenfischerei der Westlichen Ostsee befasst: Hier sind traditionell wichtige Fischbestände wie Hering und Dorsch soweit eingebrochen, dass die Fischereien momentan weitgehend eingestellt sind. Das Projekt, das neben regionaler Verwaltung und Politik auch die Fischer selbst einbezogen hatte, konnte erfolgreich Wissen zur Gefährdung der Fischarten durch den Klimawandel erarbeiten und vermitteln. Das Projekt konnte außerdem zeigen, dass das momentane Fischereimanagement an die durch den Klimawandel veränderten Bedingungen angepasst werden muss, um eine zukunftsfähige und ökologisch verträgliche Bewirtschaftung zu erreichen. Der Projektansatz wird nun teilweise in einer Arbeitsgruppe weitergeführt, die von der Fischerei getragen und von der Wissenschaft unterstützend begleitet wird.

Eine Erfolgsgeschichte ist auch das Projekt SeaStore. Hier wurden Möglichkeiten der Wiederansiedelung von Seegraswiesen in der Ostsee erforscht, die als Lebensraum mit vielen wertvollen Ökosystemleistungen gelten: Sie fördern Biodiversität – etwa als Kinderstube vieler Fischarten und als strukturreicher Lebensraum für Meeresbodenbewohner – sind effektive Kohlenstoffspeicher und somit Klimaschützer und stabilisieren die küstennahen Sedimente, was zu naturbasiertem Küstenschutz beiträgt. Das Projekt erzielte sehr gute Ergebnisse mit Anpflanzungen, bei denen sich an allen drei Standorten des Projektes die Sprossdichte bereits im ersten Jahr nach der Anpflanzung stark vermehrt hat. Zusätzlich konnte eine Besiedlung der Flächen mit zahlreichen Tieren beobachtet werden. Weitere Untersuchungen lieferten Erkenntnisse zu wichtigen ökologischen und mikrobiologischen Faktoren, die zur positiven Entwicklung von Seegraswiesen beitragen können. Offen sind noch Fragen, inwieweit die neu angelegten Seegraswiesen ähnliche Ökosystemleistungen erfüllen können, wie natürliche, und wie sich auf Dauer ihre Akzeptanz in den Küstengemeinden gestaltet. [...]

Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich KüNO-Co-Sprecher Jochen Hinkel überzeugt: „Die Wirkung von KüNO III geht weit über die Projekte selbst hinaus, denn in dieser dritten Förderphase des Verbundes haben wir neue inter- und transdisziplinäre Modelle der Integration und Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Ingenieuren und Praxispartner etabliert. Das ist eine wegweisende Blaupause auch für zukünftige Forschung.“ Dieser spezifische integrative Ansatz ermögliche es, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt besser zu verstehen. „Das so gewonnene Wissen ist eine sehr gute Basis, um gemeinsam mit Praxispartnern Lösungen für Klimawandel-bedingte und weitere Umweltprobleme an der Küste zu erarbeiten“, so Jochen Hinkel abschließend. 

Verbund „Küstenforschung Nordsee-Ostsee“ (KüNO) 

Ziel des KüNO-Forschungsprogramms ist, sowohl aktuelles Entscheidungswissen als auch wissenschaftsbasierte Handlungsempfehlungen für zukünftige Generationen bereitzustellen, um ein ökosystemorientiertes, nachhaltiges Küstenmanagement zu ermöglichen. Insbesondere Bund und Länder sollen bei ihren Aufgaben im Küstenschutz, Natur- und Meeresschutz zu unterstützt werden. Das BMBF fördert die Forschung des KüNO-Verbundes, der vom IOW koordiniert wird, seit 2013 im Rahmen der Forschungsstrategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA3). Daraus entstanden bereits verschiedene Werkzeuge und Produkte, die Behörden zur Planung von Maßnahmen zum Gewässer- und Küstenschutz verwenden und deren Informationen kostenfrei für jedermann im Internet abrufbar sind. Aktuell läuft die 2020 gestartete dritte KüNO-Förderphase, die bis Februar 2024 mit insgesamt rund 10,5 Mio. Euro gefördert wird. Weiterführende Informationen: https://deutsche-kuestenforschung.de. 

(Gemeinsame PM IOW, Global Climate Forum e. V., Helmholtz-Zentrum Hereon, Leibniz Universität Hannover, Senckenberg am Meer, Universität Hamburg, gek.)

Weitere Informationen unter io-warnemuende.de


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