Nährstofffracht aus dem Binnenland
Stickstoffverbindungen sind eine wichtige Größe bei der Produktion von Algenbiomasse. Das Team um die Biologin Kirstin Dähnke aus dem Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht hat deshalb für die Elbe intensive Stickstoffmessungen durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass heute der meiste Stickstoff in den landwirtschaftlich geprägten Regionen stromaufwärts von Hamburg in die Elbe eingetragen wird. Das wirkt sich bis in den Hamburger Hafen und die Mündung der Elbe aus. Will man künftig die Überdüngung der Nordsee reduzieren, müssen stromaufwärts Maßnahmen ergriffen werden.
Stickstoff ist ein bedeutender Pflanzennährstoff. Pflanzen benötigen ihn, um daraus Aminosäuren aufzubauen, die die Bausteine von Proteinen und damit die Grundlage allen Lebens sind. Je mehr Stickstoff den Pflanzen zur Verfügung steht, desto besser wachsen sie. Das gilt sowohl für Pflanzen an Land als auch die Algen im Meer und im Süßwasser. Problematisch wird es, wenn zu große Mengen an Stickstoffverbindungen zur Verfügung stehen, dann können Algen im Übermaß wachsen und regelrechte Algenblüten bilden. Sterben diese Algenmassen ab, sinken sie in die Tiefe und werden dort von Bakterien verarbeitet. Das Problem: Die Bakterien verbrauchen Sauerstoff. Gibt es zu viele Algen, sind die Bakterien besonders rege, wodurch viel Sauerstoff verbraucht wird. Dadurch kann es im Wasser zu Sauerstoffarmut kommen. In solchen Gebieten sterben dann höhere Organismen wie Fische, Krebse und Muscheln ab.
„Um den Zustand von Flüssen oder Flussmündungen abschätzen zu können, ist es daher wichtig, herauszufinden, wie hoch die Gehalte an Stickstoffverbindungen sind“, sagt die Biologin Kirstin Dähnke vom Institut für Küstenforschung des HZG. „Zudem wollen wir nachvollziehen, woher die Stickstoffverbindungen stammen.“ Derartige Analysen führt die Biologin in ihrer Helmholtz-Nachwuchsgruppe am HZG durch. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie in letzter Zeit insbesondere die Elbe untersucht und an vielen Stellen entlang des Flusses, vom Wehr in Geesthacht über den Hamburger Hafen bis zur Mündung in die Nordsee, Proben genommen – und im Labor auf die verschiedenen Stickstoffverbindungen untersucht.
Stickstoff im ständigen Kreislauf
Stickstoff ist ein interessantes chemisches Element, weil es in der Natur in verschiedenen chemischen Verbindungen vorliegt und von Bakterien und Pflanzen in einem Kreislauf immer wieder von der einen in die andere Form umgewandelt wird. Die Atmosphäre besteht zu rund 78 Prozent aus Stickstoff, der das chemische Symbol N2 trägt. Stickstoff ist also ausgesprochen häufig. Allerdings können die meisten Pflanzen den reinen Stickstoff nicht verwerten. Sie sind darauf angewiesen, dass Bakterien den Luftstickstoff in mehreren Schritten in Ammonium, weiter zu Nitrit und schließlich zu Nitrat umbauen, welches die Pflanzen verwerten können. Dieser Umbau von Ammonium zu Nitrat heißt Nitrifikation. In umgekehrter Richtung kann Nitrat von Bakterien wieder zu reinem Stickstoff abgebaut werden. Dieser Prozess wird als Denitrifikation bezeichnet.
Hamburger Hafen wird zum Nitrat-Hotspot
Heute wird der Gehalt von Nitrat in der Natur nicht mehr nur durch das natürliche Wechselspiel von Bakterien und Pflanzen, sondern vor allem auch durch die Landwirtschaft beeinflusst, die große Mengen von Ammoniumdünger einsetzt, der im Boden zu Nitrat umgewandelt wird. Mit dem Regen wird ein beträchtlicher Teil des Nitrats in die Flüsse ausgewaschen und führt dort zu starkem Algenwachstum. Wie sich diese Nitratmengen auf die Elbe auswirken, haben Kirstin Dähnke und ihre Mitarbeiter jetzt herausgefunden.
Sie stellten fest, dass das Nitrat aus der Landwirtschaft stromaufwärts gleichsam sofort von Algen aufgenommen und in Biomasse umgesetzt wird. Damit bleibt der Nitratgehalt im Wasser moderat. Im Hamburger Hafen aber steigen die Nitratwerte dann sprunghaft an. Das Team um Kirstin Dähnke hat herausgefunden warum: Im Hamburger Hafen wird das Wasser der Elbe durch die vielen Kanäle und Hafenbecken stark abgebremst. In diesen ruhigen Bereichen können dann verstärkt Kleinkrebse und Einzeller die Algen abbauen. Die Tiere fressen einen Großteil der Algen weg, verdauen diese und scheiden entsprechend viele Kotpartikel aus.
„Die in den Kotpartikeln enthaltene Biomasse wird dann wieder von Bakterien zu Ammonium abgebaut. Damit steht im Hamburger Hafenwasser sehr viel Ammonium zur Verfügung, das dann von anderen Bakterien über den Prozess der Nitrifikation wieder in Nitrat gewandelt wird“, sagt Kirstin Dähnke. Da bei den Reaktionen vom Ammonium über das Nitrit bis zum Nitrat Sauerstoff verbraucht wird, sinkt im Hamburger Hafen im gleichen Maße der Sauerstoffgehalt. In der gesamten Elbe trägt die Nitrifikation im Schnitt zu einem Viertel zum Verbrauch des lebenswichtigen Sauerstoffs bei.
Das Wasser, das den Hamburger Hafen verlässt, trägt so viel Nitrat mit sich, dass dieses auf dem Weg bis zur Elbmündung kaum wieder durch die Denitrifikation zu reinem Stickstoff abgebaut werden kann. Damit gelangt relativ viel Nitrat in die Nordsee und kann dort vor allem im Sommer ebenfalls zu Algenblüten beitragen, die wiederum einen Sauerstoffmangel nach sich ziehen.
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Artikel hzg.de, 03.08.2017, gekürzt