EUCC-D Fachberater im Interview
Die Arbeit von EUCC-D wird seit 2006 durch ein Fachberatergremium unterstützt. Die Fachberater sind EUCC-D Mitglieder und ausgewiesene Experten in küstenrelevanten Fachgebieten, die ehrenamtliche, fachbezogene und beratende Tätigkeiten übernehmen. So wirken sie aktiv im Verein mit und unterstützen die Arbeiten im Rahmen der aktuellen Strategiethemen.
Einblicke in das interdisziplinäre EUCC-D Fachberatergremium gibt unsere Interview-Reihe, diesmal mit Wolfgang Günther vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa.
EUCC-D Fachberater Wolfgang Günther
Wie bist Du zu EUCC-D gekommen und was macht EUCC-D für Dich so besonders?
Ich hatte EUCC schon vor vielen Jahren im Rahmen von Projekten in der Ostseekooperation kennengelernt. Mir gefiel sofort, wie es EUCC gelingt, Forschung und Praxis miteinander zu verbinden – zum Nutzen für beide Seiten. Als EUCC-D in Deutschland gegründet wurde, bin ich daher schon relativ bald Mitglied geworden und habe mich gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich Fachberater werden möchte.
Welchen beruflichen Hintergrund hast Du, was für eine Rolle hast Du als Fachberater und welches aktuelle Thema vertrittst Du?
Ich habe meine berufliche Laufbahn nach dem Ökologiestudium in Kiel als Referent für Meeresschutz und Tourismus beim BUND Landesverband Schleswig-Holstein begonnen, bin dann zum Tourismusverband Schleswig-Holstein gewechselt und nun schon mehr als 22 Jahren in der Tourismusforschung beim NIT (www.nit-kiel.de). Dort bin ich für Nachhaltigkeit im Tourismus zuständig - also auf der Schnittstelle zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Dabei habe ich meine Affinität zum Meer behalten, bin ehrenamtlich beim Meeresschutz geblieben und arbeite gern auch im Tourismus zu Küstenthemen. Als Fachberater der EUCC-D stelle ich dem Verein mein Wissen und meine Erfahrungen gern zur Verfügung. Wenn ich nicht selbst weiterhelfen kann, versuche ich eine passende Person oder Quelle zu nennen, die eine Antwort kennt.
Aktuell arbeite ich viel zur Nachfrage nach Nachhaltigkeit und zu Klimaschutz und Klimaanpassung im Tourismus. Beispielweise für die Tourismusorganisation von Niedersachsen TMN im Projekt „Klimawandel anpacken“ (https://nds.tourismusnetzwerk.info/inhalte/klimawandel-nachhaltigkeit/klimawandel-und-tourismus/ ).
Gibt es Anzeichen dafür, dass Nachhaltigkeit für Touristen wichtiger wird?
Ja, zumindest sagen die Reisenden selbst, wenn wir sie fragen, dass es so ist. Das NIT hat gerade für die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR, www.fur.de ) einen Bericht zur Nachfrage nach Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen erarbeitet (https://reiseanalyse.de/ra-satelliten/ra-nachhaltigkeit/ ). Dort ist zu lesen, dass 68% der Deutschen ökologisch und/oder sozialverträglich reisen möchten – ein neuer Höchstwert seit dem Jahr 2013, in dem wir zum ersten Mal danach gefragt haben. Allerdings ist der Wunsch nach Nachhaltigkeit nur ein Einflussfaktor unter vielen, so dass er am Ende für gerade einmal 5% der Befragten bei der Entscheidung zur letzten Haupturlaubsreise zwischen sonst gleichen Angeboten den Ausschlag gegeben hat.
Sind Nachhaltigkeitspreise und Umweltzeichen (Eco-labels) wichtige Instrumente für nachhaltigen Tourismus?
Ich denke „ja“: Sowohl durch ihre Wirkung nach innen in die Betriebe und Regionen wie auch nach außen als Orientierungshilfe für die Kundschaft, die nachhaltiger reisen will. Nach innen fördert die Auseinandersetzung mit den Bewerbungskriterien für Preis oder Zertifikat die Nachhaltigkeitskompetenz der Akteure und hilft ihnen den Prozess zu mehr Nachhaltigkeit zu strukturieren. Nach außen hilft es den Gästen, zu erkennen, welche Unternehmen sich für Nachhaltigkeit engagieren, so dass sie die Möglichkeit haben, sie bei der Reiseentscheidung zu bevorzugen. Unabhängig von Siegeln und Auszeichnungen halte ich es aber für wichtig, auch generell mehr Transparenz zu ökologischen und sozialen Kosten von Reiseprodukten zu schaffen.
Ist es laut Deiner Einschätzung wahrscheinlich, dass der Küstenschutz, beispielsweise bei Dünenabschiebungen für einen tollen Blick aufs Meer, in Zukunft über den Tourismus gestellt wird und welche Überzeugungsarbeit könnte EUCC-D dazu leisten?
Schlaue Tourismusentwicklung denkt die absehbaren Veränderungen unserer Küsten durch den Klimawandel und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg mit und setzt sich dafür ein, dass biodiverse Küstenökosysteme dauerhaft erhalten bleiben, da sie eine wesentliche Betriebsgrundlage für den Tourismus darstellen. Ein solcher Tourismus hat damit kein Interesse daran, sich über oder gegen den Schutz von Küsten zu stellen. Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, dass alle Beteiligten in der Diskussion zur Küstenentwicklung über ein hohes Maß an fundiertem Hintergrundwissen zu den ökonomischen, ökologischen und geomorphologischen Zusammenhängen verfügen. Dann könnte ich mir vorstellen, dass die Interessen aller am Ende ganz dicht beieinander liegen. EUCC-D kann bestens dazu beizutragen, eine solche belastbare gemeinsame Wissensbasis zu stärken.
Wo siehst Du EUCC-D in 20 Jahren?
Ich habe den Eindruck, dass die EUCC-D ihren Platz an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis bereits gefunden hat. Diese Scharnierstelle wird nach meiner Einschätzung in Zukunft eher noch wichtiger werden, da der Umfang verfügbaren Wissens rasant zunimmt. Wissenschaftlich fundiertes Wissen in Kooperationsprojekten, in der Kommunikation mit Entscheidungstragenden wie auch gegenüber der Öffentlichkeit sortiert, verständlich und verantwortungsvoll einzubringen, sehe ich auch für die Zukunft als wertvolle und nötige Aufgabe für die EUCC-D.
Weitere Informationen:
Warum bisheriges Reisen teurer werden muss, Artikel auf utopia.de